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Kommemoration, Konkurrenz & Koinzidenz

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Am 5. Mai 2010 begeht die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin mit einer Podiumsveranstaltung den fünften Geburtstag des Monuments. Doch vor dem Hintergrund der gerade begangenen Gedenkfeiern zum 65. Jahrestag der Befreiung von Konzentrationslagern nehmen sich die fünf Jahre Holocaust-Mahnmal noch recht bescheiden aus. Auch die Konzeption des Events mag (mich) nicht ganz überzeugen: Es handelt sich um ein Treffen von Veteranen der Denkmals-Debatte. Allen voran die Initiatorin und Vorsitzende des Förderkreises, Lea Rosh sowie der Architekt, Peter Eisenman. Des weiteren dabei die zur Zeiten der Realisierung des Vorhabens amtierende Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages, Elke Leonhard und der damalige Kulturstaatsminister Michael Naumann (beide SPD). Der Moderator, Heinrich Wefing (heute: Die Zeit) begleitete seinerzeit als FAZ-Autor das Geschehen.

Diese Konstellation vermittelt den Eindruck, als würden Zeitzeugen noch einmal um Diskurshoheit und Deutungshegemonie ringen. In diese Richtung weist auch der Titel der Podiumsdiskussion: „Ein Ort, an den man gerne geht?“ Dieser bezieht sich vermutlich weniger auf den gleichnamigen Titel eines einschlägigen Buches zum Thema, als direkt auf ein Diktum von Altkanzler Schröder, der in einem TV-Interview im November 1998 sagte:

„Ich will ein Holocaust-Denkmal. (…) Aber ich möchte es in einer Dimension, vor der die Berlinerinnen und Berliner, vor dem die Deutschen nicht Furcht empfinden, sondern wo sie gerne hingehen, um sich zu erinnern, um sich auseinander zusetzen.“

Insofern erahnte der Instinktpolitiker eine Entwicklung, die in der Ankündigung des Termins wie folgt resümiert wird:

„Seitdem ist dieser nationale Gedenkort für die sechs Millionen Opfer des Holocaust fester Bestandteil eines Besuches der deutschen Hauptstadt geworden, der Ort der Information gehört laut Berlin Tourismus Marketing zu den »Top Ten« Berlins.“

Abschließend stellt sich die Frage nach der Terminwahl, denn eingeweiht wurde das Denkmal am 10. Mai 2005. Vielleicht liegt dies – abgesehen von anderen guten Gründen – auch an einer kommemorativen Konkurrenz, denn einen Tag nach der Veranstaltung wird am 6. Mai 2010 nun in Anwesenheit des Bundespräsidenten das Dokumentationszentrum einer erinnerungskulturellen Einrichtung eingeweiht, deren Realisierung noch länger als die des Holocaust-Mahnmals währte: Die Topographie des Terrors widmet sich am historischen Ort primär den Tätern, und die hinter beiden Projekten stehenden Initiativen konkurrierten nicht nur inhaltlich um das richtige Gedenken. Vorausschauend formuliert Harry Nutt dazu in der Frankfurter Rundschau vom 4. Mai 2010:

„Die zeitliche Koinzidenz zwischen Mahnmal-Jubiläum und Fertigstellung der Ausstellung Topographie des Terrors eröffnet zugleich eine Perspektive, in der Opfer- und Tätergedenken sich künftig aufeinander beziehen können.“

Eine Debatte darüber könnte allerdings eine spannende Veranstaltung werden…

Update: Zum fünften Jahrestag der Einweihung des Holocaust-Mahnmals führte ich am 10. Mai 2010 ein Gespräch mit SWR2.

„Ein Ort, an den man gerne geht“ – revisited

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Zehn Jahre ist sie jetzt her, die Entscheidung des Deutschen Bundestags zur Errichtung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin (wer die Diskussion vor der Abstimmung im Plenum noch einmal nachlesen mag, hier das 66 Seiten starke Protokoll der betreffenden Sitzung als PDF-Dokument). Und am 25. Juni 1999 dauerte die Debatte bereits über zehn Jahre an. Insofern stammt die Initiative für das Projekt noch aus der alten Bundesrepublik. Was aus dieser Konstellation resultiert, und wie sich im Ergebnis dann doch ein Wandel der Erinnerungskultur manifestiert, für den nicht zuletzt alltagskulturelle Formen der Aneignung des Monuments relevant sind, das versuche ich in einem gerade erschienen Aufsatz zu fokussieren. Erschienen ist dieser Beitrag zum Holocaust-Mahnmal in dem von Herfried Münkler & Jens Hacke herausgegebenen Sammelband Wege in die neue Bundesrepublik: Politische Mythen und kollektive Selbstbilder nach 1989 (hier die Angaben des Verlags inkl. Inhaltsverzeichnis & Leseprobe).

Holocaust-Mahnmal

Das Holocaust-Mahnmal stellt jedoch nur den zentralen Ausdruck eines besonderen Engagements des Bundes dar. Welche Rolle die Bundeskulturpolitik bei der finanziellen Förderung der Erinnerungskultur „vor Ort“ spielt und wie sich dies in politikwissenschaftlichen Kategorien fassen lässt, thematisiere ich unter dem Titel „Die Gedenkstättenkonzeption des Bundes als Instrument geschichtspolitischer Steuerung“. Dabei handelt es sich um einen Beitrag zum Jahrbuch für Kulturpolitik 2009, das dem Thema „Erinnerungskulturen und Geschichtspolitik“ gewidmet ist. Einen Überblick über die beeindruckende Bandbreite des über 500 Seiten starken Kompendiums und die illustre Auswahl an Autoren, die nicht nur Experten aus der Wissenschaft sondern auch Vertreter des Bundestags sowie der Fraktionen umfasst, gibt es hier.