Category Archives: Erinnerungskultur

Entgrenzte Erinnerung: Hologramme und deepfakes

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Das Thema „digitale Desinformation“ steht in der Dikussion über politische Probleme algorithmischer Öffentlichkeiten ganz oben auf der Agenda. Weniger präsent sind Herausforderungen der Erinnerungskultur, die sich in diesem Kontext abzeichnen. Im Mittelpunkt dieser Problematik steht meines Erachtens die Aufzeichnung von Zeitzeugenaussagen, die insbesondere im Bezug auf den Holcaust zu einem zentralen Erinnerungsmedium avanciert sind. Das Format des Zeitzeugeninterviews erfährt dabei beständig Aktualisierungen, vor allem durch die Nutzung digitaler Technologien und Online-Angebote. Zuletzt (aber auch schon sechs Jahre her) war die Entwicklung einer holografischen und interaktiven Variante zu annocieren. Hologramme muten dabei weniger unzeitgemäß an als Videoaufzeichnungen und ermöglichen in gewissem Umfang einen Dialog. Zunächst handelt es sich dabei um zweidimensionale Installationen, aber das Ziel sind digitale Doppelgänger von Überlebenden; dreidimensional und in Lebensgröße, die von unterschiedlichen Blickpunkten aus betrachtet werden können.

Ein anderes Format sind Virtual-Reality-Anwendungen wie „The Last Goodbye“. Hier begleitet der mit einer Datenbrille ausgestattete Nutzer einen Zeitzeugen bei einem Besuch in einen ehemaligen KZ. Dabei werden 360-Grad-Aufnahmen der Reise mit vollständig begehbaren, virtuellen Rekonstruktionen verschiedener Orte des Lagers kombiniert. Meine Zweifel, ob immersive Anwendungen hier angemessen sind, habe ich bereits gegenüber der Süddeutschen Zeitung artikuliert.

Für die Konferenz „Entgrenzte Erinnerung: Positionen und Projekte zur medialen und digitalen Erinnerungskultur aus Wissenschaft und Gedenkstättenarbeit“, die von der Universität Konstanz und der KZ-Gedenkstätte Dachau veranstaltet wird, widme ich mich darüber hinaus der Frage, welche Probleme sog. „deepfakes“ vor diesem Hintergrund aufwerfen. Denn die gleiche Technologie, die animierte 3-D-Avatare von Zeitzeugen ermöglicht, ermöglicht auch die Synthese von Bewegtbild und an das Original angepassten Audio-Inhalten aus unterschiedlichen Quellen.

Auch wenn ein Einsatz dieser Möglichgkeit zur Manipulation bislang wohl nicht in gleichem Ausmaß wie andere Varianten digitaler Desinformation genutzt wurde, markieren Robert Chesney und Danielle Citron das problematische Potenzial: „The deepfakes of tomorrow will be more vivid and realistic and thus more shareable than the fake news of 2016.“
 Im Hinblick auf die Erinnerungskultur entsteht hier eine besondere Herausforderung für die Archivierung audiovisueller Inhalte, von der nicht nur Institutionen betroffen sind, sondern vor allem auch die akzidentielle Speicherung etwa bei YouTube. Und schließlich wird eine paradoxe Entwicklung evoziert: Während Zeitzeugen als Hologramme präsent bleiben, wird die bisherige Beweiskraft ihrer medialen Präsenz durch deepfakes unterminiert.

Update 28.1.2019:

Auf der o.g. Konferenz wurde auch eine Beamer-Projektion des Formats präsentiert, das im ersten Video vorgestellt wird. Vor diesem Hintergrund ist zu konstatieren, dass die Bezeichnung als „Hologramm“ den aktuellen Anwendungen nicht angemessen ist (vgl. auch die Angaben des Anbieters in einem PDF).

Geschichte und digitale Gesellschaft

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Am 17. und 18. September findet am Deutschen Historischen Institut in Warschau ein Workshop zum Thema „Funktionalität von Geschichte in der Spätmoderne: Konzepte – Methoden – Forschungsperspektiven“ statt. Hier das Mission Statement der OrganisatorInnen, die ein vielfältiges Programm mit Beiträgen zu aktuellen Phänomenen zusammengestellt haben:

Seit einiger Zeit scheint sich ein grundsätzlicher Wandel in der Funktionalität von Geschichte und in der öffentlichen wie individuellen Nutzung der Vergangenheit zu vollziehen. Im Wissen darum, das bislang kein integrales Konzept zur Erforschung von öffentlicher Geschichte existiert, wurde bewusst die heterogene „Landschaft“ praktizierter Zugänge zum Ausgangspunkt der Tagung genommen. Einerseits wird hier an ältere Ansätze angeknüpft, andererseits werden neue Herangehensweisen und Terminologien erprobt. Die zentralen Leitfragen des Symposiums lauten: Welche (neuen) Phänomene existieren, wodurch zeichnen sie sich aus? Wie lassen sich die Prozesse eines pluralistischen Umgangs mit Geschichte begrifflich und theoretisch fassen, wie methodisch analysieren? Wo haben wir es „nur“ mit neuen Gegenständen, wo mit neuen Konzepten oder gar Programmatiken zu tun?

In diesem Kontext präsentiere ich aktualisierte Einschätzungen zu „Erinnerungskultur 2.0: Geschichte in der digitalen Gesellschaft“. Zu diesem Zweck habe ich einige Anknüpfungspunkte in der aktuellen Forschungspraxis eruiert. Dementsprechend lassen sich meine Überlegungen in der (deutschen) Forschungsdiskussion wie folgt verorten:

Politische Bildung und Erinnerungskultur

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Dieser Titel steht auch auf dem Programm einer Bildungsveranstaltung der besonderen Art:

Das Diplomatenkolleg richtet sich an junge, in Deutschland akkreditierte Diplomatinnen und Diplomaten aus Europa, dem Südkaukasus und Zentralasien. Das Programm wird von der Internationalen Diplomatenausbildung der Akademie Auswärtiger Dienst im Auswärtigen Amt in Zusammenarbeit mit der Robert Bosch Stiftung und mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik durchgeführt.

Dazu steuere ich eine Präsentation zum Thema „Erinnerungskultur 2.0“ bei. Gerade um den 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz sind dazu auch neue Online-Angebote zu verzeichnen. Von historischen Echtzeitformaten war hier bereits die Rede, nun startete zum Beispiel ein mehrmonatiges, vom Historiker-Kollektiv digital past verantwortetes Projekt, zu dem auch das Begleitbuch „Als der Krieg nach Hause kam: Heute vor 70 Jahren: Chronik des Kriegsendes in Deutschland“ gehört. Bei den Netzpiloten habe ich dieses Vorhaben crossmedialer Geschichtsschreibung bereits vorgestellt. Nun folgt am 13. Februar bei Reddit noch eine digitale Sprechstunde im Format „Ask me Anything“:

Wandel der Erinnerungskultur: Zwei Mind Maps

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Zum Jahresende standen noch einmal zwei Veranstaltungen zum Thema „Erinnerungskultur“ auf meinem Programm. Vom 5. bis 6. Dezember fand in Duisburg-Marxloh das Zukunftslabor „Multiple Memories – Erinnerungskulturen der Migration“ statt. Veranstalter war die „Zukunftsakademie NRW – Interkultur, kulturelle Bildung und Zukunft von Stadtgesellschaft“, ein Gemeinschaftsprojekt des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stiftung Mercator, der Stadt Bochum und des Schauspielhauses Bochum. Dort lieferte ich in einem Panel einen Beitrag zur „Erinnerungskultur 2.0“, aus dem folgende Mind Map zu verschiedenen Formaten stammt.

Am 8. Dezember war ich dann beim Workshop „Der Nationalsozialismus: Forschung und Vermittlung im 21. Jahrhundert“ zu Gast, den die Akademie für Politische Bildung Tutzing in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit veranstaltete. Dort lieferte ich einen Impuls unter der Überschrift „Erinnerungskultur und Geschichtsbilder“. Auch dafür hatte ich eine Mind Map im Gepäck, die Aspekte eines historischen Wandels adressiert: