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Vorbild USA? Zu Besuch in der Wahlkampf-WG

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Wahlkampf-WG

Auch in Hessen wird am 22. September gewählt. Die hessische SPD lässt sich bei ihrem Online-Wahlkampf von jungen Freiwilligen unterstützen. Für politik-digital.de habe ich die sozialdemokratische Wohngemeinschaft besucht und die Aktivitäten im Kontext moderner Kampagnenführung analysiert: Vom Webcamp zum Wahlkampf-WG.

Paradoxien der Personalisierung

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Das linke Lager ist dabei geblieben, die hessische Landtagswahl zu einer Abstimmung über die Person des Ministerpräsidenten und die Bilanz seiner zehnjährigen Amtszeit zu machen. Dies dokumentieren großformatige Wahlplakate der SPD ebenso wie die unisono vorgetragene Parole, mit Koch sei weder eine große Koalition noch ein Bündnis unter Berücksichtigung der Grünen denkbar. Auch Social-Media-Aktivisten agieren in diesem Sinne, wenn sie via tweet-tagging („#kochmussweg“) eine Mobilisierungs-Kampagne neuen Typs intendieren (vgl. Clemens Lerche). Auf diese Konstellation reagiert die CDU, in dem sie sich einen rot-grünen Vorwurf aus dem letzten Landtagswahlkampf zu eigen macht. Damals führte der von der CDU plakatierte Aufruf „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen!“ zu erbosten Reaktionen der angesprochenen politischen Gegner. Dieses Motiv nimmt nun die CDU auf und skandalisiert ihrerseits eine „Schmutzkampagne“. Dazu CDU-Generalsekretär Michael Boddenberg: „Auch zahlen sich die wiederholten Versuche nicht aus, den erfolgreichen und kompetenten Ministerpräsidenten Roland Koch zu diffamieren und persönlich anzugreifen. Dieser unanständige Wahlkampfstil stößt die Menschen ab.“ (CDU-Homepage) Dies hindert Boddenberg aber nicht daran, noch in der selben Meldung von der „Ypsilanti-SPD“ zu sprechen. Wer den Newsletter der Hessen-CDU abonniert, weiß darüber hinaus, dass es sich dabei um einen etablierten Textbaustein handelt, denn dort wird dieses Personalisierungsmotiv wiederholt verwendet. Damit attackieren die Christdemokraten die Positionierung des Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel (TSG) als brand new/new brand (zu Paradoxien des Vergleichsmaßstabs „Obama“ siehe einen Beitrag von Christoph Bieber), der nur zu Beginn und Ende der Kampagne gemeinsam mit Ypsilanti präsentiert wird. So taucht die in der politischen Öffentlichkeit derzeit weitgehend unsichtbare sozialdemokratische Landes- und Fraktionsvorsitzende schließlich primär in der christdemokratischen Wahlkampf-Kommunikation auf.

Notizen aus der Provinz: Hessen wählt neu!

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Gestern kamen die ersten sozialdemokratischen soundbites des neuen Jahres aus Gießen, wo die hessische SPD in die heiße Phase des Landtagswahlkampfs startete. Die Anwesenheit des Bundesvorsitzenden Franz Müntefering garantierte ein gesteigertes Interesse auch der überregionalen Medien, die Ausschnitte aus seiner Rede in Nachrichtensendungen und den sonntäglichen Magazin-Formaten des öffentlich-rechtlichen Polit-Fernsehens versendete. Die Inszenierung in der Kongresshalle garantierte dafür ein volles Haus, insofern die Strategen den Saal durch Abtrennung geschickt verkleinert hatten.
In der Dramaturgie vor Ort bildete der Auftritt von Müntefering jedoch nur den Höhepunkt einer vom Superwahljahr 2009 geprägten Präsentation sozialdemokratischer KanditatInnen. Den Auftakt übernahm ex-MP-in-spe Andrea Ypsilanti, die  von der Begrüßung der Honoratioren recht schnell zur Weltpolitik gelangte, um einen Frieden im Nahen Osten zu fordern. Darauf folgte dann ein lokales Line-up mit der Kandidatin für das Gießener Oberbürgermeisteramt, dem Landtagsabgeordneten Gerhard Merz und dem Europaparlamentarier Udo Bullmann. Diese Runde wurde durch den Einmarsch der Hauptakteure beendet: Seit an Seit schritten Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel und der SPD-Bundesvorsitzende durch das drängende Spalier der Meute (Herlinde Koelbl).

TSG nutzte das Heimspiel und garnierte seine programmatischen Aussagen mit biografischen Details: die Gießener Nordstadt builds character, könnte man danach sagen, und Hans-Jochen Vogel habe auf dem selben Gymnasium Abitur gemacht. Verweise auf die SPD-Bundesminister Steinmeier und Zypries, die wie Schäfer-Gümbel zeitweise an der Gießener Uni gewirkt haben, fehlten hingegen. Im Anschluss präsentierte sich Franz Müntefering in seiner selbst von Theater-Connaisseur Harald Schmidt goutierten Paraderolle als „Münte“ und schwelgte in gleichermaßen wolkigen wie markigen Metaphern: Die auf eine unverantwortlich (a)gierende Finanzwelt gemünzte Rede vom „modernen Raubrittertum“ verdichtete die unspezifischen Vorstellungen des Publikums ähnlich erfolgreich wie die von ihm geprägte Bezeichnung „Heuschrecken“. In der Berichterstattung ging dabei das erste Wahlversprechen für die kommende Bundestagswahl unter: Wenn die SPD den Kanzler stellt, werde die Übungsleiterpauschale erhöht werden; gewissermaßen eine sozialdemokratische Tradition wie Müntefering argumentierte. Dann nahte jedoch in Mittelhessen der Zeitpunkt für das Mittagessen, so dass eine noch anstehende Mitglieder-Ehrung aufmerksamkeitsökonomisch ins Hintertreffen geriet. Vor der Halle wartete der Wagen von TSG bereits mit laufendem Motor, während Münte noch Zeit für einen kurzen Plausch mit der Meute fand. Ein Auftakt nach Maß, mögen die Verantwortlichen gedacht haben, bis am Abend die geplante Demission des ebenfalls anwesenden Generalsekretärs und Wahlkampfmanagers Norbert Schmitt (rechts oben im Hintergrund) im Anschluss an die Landtagswahl bekannt wurde. Mehr dazu und zum Web-Wahlkampf ab heute in der tagesaktuellen Netz-Presseschau des Hessischen Rundfunks.